Ist die neue Rally wirklich gerechtfertigt?
Liebe Leser,
das ist schon ein widersprüchlicher Befund. In der vergangenen Woche stellten in den USA 5,8 Millionen Menschen einen Erstantrag auf Arbeitslosenhilfe. Zum Vergleich: Vor der Krise stellten etwa 210.000 Menschen pro Woche in den USA einen solchen Antrag. Die offizielle Arbeitslosenstatistik liegt noch nicht vor. Analysten gehen freilich davon aus, dass ganz bald jeder 10. erwerbsfähige US-Amerikaner arbeitslos sein wird.
In Deutschland lesen sich die entsprechenden Zahlen auch nicht ganz anders. So rechnet die Bundesagentur für Arbeit, dass nächstens 2,35 Millionen Menschen hierzulande Kurzarbeitergeld beziehen werden. Würden wir diese Kurzarbeiter in die Arbeitslosenstatistik hineinrechnen, würde sich die Arbeitslosigkeit auf einen Schlag verdoppeln. Nur nochmal zur Erinnerung: Diese Explosion der Arbeitslosigkeit bzw. der Kurzarbeit hat sich grob gesprochen binnen von nur 4 Wochen vollzogen. Das ist ohne jedes historische Vorbild.
Die Konjunkturschätzer rechnen damit, dass die Wirtschaftsleistung in Nordamerika und Europa im laufenden Quartal um 8 bis 10 % einbrechen wird. Und trotzdem steigt der DAX und auch der S&P 500 seit einigen Wochen derart stark an, als gäbe es kein Morgen. Beide Leitindizes machten seit Mitte März rund 28 %.
Soll das wirklich zusammenpassen? Wir erleben gerade einen historischen Kollaps der Wirtschaft und gleichzeitig eine historische Rally des Aktienmarktes. Das ist doch ungewöhnlich, oder?
Man muss in dieser Situation natürlich das Gesamtbild betrachten. So ging der laufenden Erholungsrally bekanntlich ein veritabler Crash voraus. Der DAX verlor im Februar und März fast 40 % seines ursprünglichen Wertes. Selbst jetzt liegen die DAX-Titel im Vergleich zum Jahresanfang immer noch 18 % unter Wasser. Mit anderen Worten: Die Investoren haben die aufziehende Wirtschaftskrise schon zuvor entsprechend berücksichtigt und eingepreist.

Die Coronakrise hat einen zentralen Vorzug. Der Auslöser, also der Virus kam zunächst schnell über diese Welt. Er wird sich allerdings, wie die jüngsten Zahlen zeigen, auch wieder relativ rasch zurückziehen. Immer natürlich unter der Voraussetzung, dass wir weiterhin brav unsere Masken tragen und uns nicht zu früh in großer Anzahl in irgendwelchen Fußgängerzonen oder Fußballstadien versammeln.
Anfangs haben die Börsianer die Schnelligkeit – eben auch im Abgang – wohl falsch eingeschätzt. So waren im Kern die Abschläge in den Aktienindizes übertrieben. Wie gesagt, die Pandemie kommt als einmaliger Schock, aber eben nicht als Dauerereignis daher. Das ist übrigens genau der zentrale Unterschied zur Finanzkrise von 2008/9. Damals wurden Strukturen zerstört und die Arbeitslosigkeit und die Verschuldung der Staaten entwickelte sich besonders in Europa zum hartnäckigen Dauerproblem.
So startete der DAX Mitte März eine veritable Erholungsrally und baute die Übertreibungen des Crash rasch wieder ab. Nun treten wir in die zweite Phase der Erholung ein und preisen bereits das Ende der Wirtschaftskrise ein. Man geht davon aus, dass sich im zweiten Halbjahr die Kennzahlen wie BIP-Wachstum und auch Arbeitslosigkeit wieder deutlich verbessern werden. Tatsächlich rechnen die Konjunkturexperten mit einem massiven Wirtschaftsaufschwung, wie wir ihn in Deutschland und ganz generell in Mitteleuropa seit den 50er-Jahren nicht mehr erlebt haben.
Mein Fazit:
Die Rally ist fundiert und wird sich fortsetzen
Ich fasse zusammen: Zunächst korrigierte der Aktienmarkt die Übertreibungen des vorangegangen Crashes. In der aktuellen Phase spielen die Investoren die Perspektive einer raschen Konjunkturerholung. So rechnen die Analysten mehrheitlich zum Beispiel damit, dass die stark erhöhte Arbeitslosigkeit der USA lediglich von kurzer Dauer sein wird.
Derzeit deuten viele Indikatoren darauf hin, dass sich die neue Hausse im Mai fortsetzen wird. Denn noch ist durchaus Pessimismus im Markt. Mit anderen Worten: Viele Investoren sitzen noch auf erheblichen Mitteln, die sie nächstens in den Markt geben werden.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden wir daneben möglicherweise im Juli und August eine kleine Sonderhausse erleben. Wie Sie wissen, haben wir bislang aus den heimischen Titeln kaum Dividenden bezogen, da die Hauptversammlungen mehrheitlich verschoben worden sind. Und da wo keine Hauptversammlung, da auch keine Dividende. Nun sind diese Hauptversammlungen nachzuholen und werden deshalb mehrheitlich im Juli und August abgehalten werden.
In diesem Zeitraum werden den Börsianern also innerhalb kurzer Zeit erhebliche frische Mittel zufließen. Nach meiner überschlägigen Rechnung werden hier bis zu 27 Milliarden Euro allein aus dem DAX auf die Konten der Aktionäre fließen. Das wird die Aktien in der DACH-Region zusätzlich treiben. Den Corona-Effekt habe ich bei dieser Prognose bereits mit knapp 10 Milliarden Euro Dividendenausfall großzügig berücksichtigt.
Das ist in Ihren Depots zuletzt geschehen
In den Vermögensverwaltungsmandaten haben wir bereits seit März wieder massiv nachgekauft und die Cashquoten bedeutsam reduziert. Dabei haben wir in Absprache mit dem Vermögensverwalter zunächst digitale Geschäftsmodelle aus dem Silicon Valley und teilweise auch aus Deutschland favorisiert. Bekanntlich sind diese Geschäftsmodelle bzw. die Unternehmen – wie etwa Splunk, Twilio, Varta oder PSI Software – nur indirekt vom Virus betroffen.
In der zweiten Stufe werden wir nun konservative Positionen des Rentenmarktes reduzieren, um die Aktienquote weiter nach oben zu schieben. Dann werden wir auch erstmals einige Corona-Opfer anfassen wie z.B. den Seniorenheimbetreiber Welltower oder vergleichbare Unternehmen.
In meinem letzten Kundenbrief hatte ich Ihnen „zugesagt“, dass Ihre Depots bis Jahresende alle Verluste aufholen werden, und Sie damit wieder die Rekordniveaus vom Jahresanfang zurückerobern. Diese Prognose kann ich nach der starken Marktentwicklung der vergangenen Wochen zunächst bestätigen. Wahrscheinlich wird es mir sogar gelingen, die offensiven Depots weit vor Jahresende wieder ins Plus und damit zu neuen Rekorden zu führen.
Für Sie war der Corona-Crash nur eine Zwischenkorrektur.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander von Parseval