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Januar: So wirkt sich das Coronavirus auf Ihr Depot aus

Liebe Leser,

erinnern Sie sich noch an das Börsenjahr 2018? Vermutlich haben Sie es aus Ihrem Gedächtnis gestrichen. Denn damals verlor der DAX satte 18 %. Dabei startete der deutsche Leitindex zunächst furios ins neue Jahr und schaffte gleich in den ersten Januartagen einen starken Wertzuwachs in Höhe von 5 %. Dann – das wurde dann im Rückblick offensichtlich – kippte der starke Trend exakt am 23. Januar. Von da an ging es dann für den deutschen Aktienmarkt praktisch nur noch abwärts.

Wie präsentiert sich nun der laufende Januar? Auch hier starteten wir wieder solide mit einem DAX-Aufschlag von über 3 %. Dabei schaffte der DAX am 24. Januar ein neues Allzeithoch. Seitdem marschiert der Index nur noch talwärts. Das sagt über den weiteren Verlauf des Börsenjahres natürlich noch nicht viel aus. Aber die enorme zeitliche Nähe dieser beiden Kipppunkte ist mehr als nur ein Zufall. Damals wie heute löste die US-Berichtsaison den Rücksetzer des Aktienmarktes aus.

Gerade in dieser Woche haben unzählige sog. Leuchtturm-Unternehmen aus den USA ihre Bücher geöffnet und das Zahlenwerk aus dem abgelaufenen Quartal vorgestellt. Die Quartalszahlen dieser Leuchtturm-Unternehmen strahlen üblicherweise auf den gesamten Aktienmarkt ab und finden deshalb unter Analysten und Investoren immer besondere Beachtung.

Dabei war das Zahlenwerk mehrheitlich wirklich gut. Unternehmen wie Mastercard, Apple, Tesla oder Microsoft überzeugten mit starkem Umsatz- und Gewinnwachstum. Trotzdem wollte am Markt niemand so recht Hurra schreien und schon gar nicht wirklich kaufen. Was ist das Problem?

Beispiel Apple: Das US-Unternehmen meldete einen um fast 8 % verbesserten Absatz des Flaggschiffproduktes iPhone. Die Sparte Wearables (Apple-Watch und Kopfhörer AirPod) meldete sogar einen Umsatzschub von 37 %. Auf dem Parkett nahm man die guten Zahlen emotionslos zur Kenntnis.

Denn schließlich hatten die Investoren hier in den vergangenen Monaten bereits reichlich Vorschusslorbeeren verteilt. Die Apple-Aktie rückte nämlich im vergangenen Börsenjahr um 100 % vor. Damit hatte die Aktie eine neue Marktkapitalisierung im Wert von rund 725 Milliarden US-Dollar geschaffen. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr der Marktkapitalisierung der 7 größten DAX-Werte.

Kurzum: Die schönen Zahlen waren schon längst eingepreist.

So richtig positiv überraschten zuletzt nur die Zahlen des Autobauers Tesla. Das US-Unternehmen meldete zum zweiten Mal in Folge schwarze Zahlen und kündigte für das laufende Jahr eine massive Ausweitung der Produktion auf 500.000 Einheiten an. Außerdem werden in diesem Jahr erstmals Tesla-Modelle direkt in China vom Band rollen. Dort hat man binnen von nur 6 Monaten eine gigantische Produktion im Wert von 2 Milliarden US-Dollar aus dem Boden gestampft. Nur solche Nachrichten wirken noch in einem teuren Markt.

Fazit: Bis auf wenige Ausnahmen lieferten die US-Unternehmen bis jetzt starke Quartalszahlen. Leider fanden diese Zahlen am Markt keine Beachtung, da sie im Wesentlichen schon zuvor eingepreist worden sind. Unternehmen – z.B. Facebook – die nur mittelmäßiges Zahlenwerk vorzeigen konnten, wurden hingegen sofort abgestraft.

Coronavirus bedroht China-Geschäft der westlichen Exporteure

Daneben belastet natürlich der in China grassierende Coronavirus den Aktienmarkt. Im Zentrum der Pandemie, also in der Metropole Wuhan, ist das öffentliche Leben zusammengebrochen. Die Stadtautobahnen sind leer, kein Mensch traut sich mehr vor die Türe seiner Wohnung. Aber auch im Rest des Landes herrscht große Ruhe. Denn bis zum 9. Februar gilt für viele Beschäftigte und Unternehmen ein Zwangsurlaub. Der Börsenhandel ruht ebenfalls. Lediglich in Hongkong wird gehandelt.

Dieser Stillstand im Reich der Mitte wirkt sich selbstredend auch auf große westliche Export-Unternehmen nicht günstig aus. So geriet etwa im DAX die VW-Aktie zuletzt spürbar unter Druck. Schließlich setzen die Wolfsburger fast 40 % ihrer globalen Produktion in China ab.

Und hier nähern wir uns dem Problem Nr. 2 an. Vor allem Unternehmen mit starkem China-Bezug sind kurzfristig pessimistisch. Das Apple-Management etwa gab einen eher vorsichtigen Ausblick für das laufende Quartal. Schließlich verkaufte das US-Unternehmen im Reich der Mitte zuletzt Produkte und Dienstleistungen im Wert von fast 14 Milliarden US-Dollar. Dieser Umsatz ist nun durch den Virus zumindest der Höhe nach bedroht. Noch schlimmer wiegt wahrscheinlich, dass die Mehrheit der Apple-Zulieferer in China sitzt. Hier drohen dem US-Unternehmen nun Produktionsengpässe, die das US-Unternehmen aus eigener Kraft nicht auffangen kann. Wie Sie sicherlich wissen, unterhält Apple keine eigene Produktion und ist deshalb hochgradig von den Zuliefer-Unternehmen abhängig.

Ein ähnliches Bild auch bei der Kaffeehauskette Starbucks: Rund die Hälfte der 4.300 Starbucks-Niederlassungen in China sind derzeit aufgrund des Coronavirus geschlossen. Schon jetzt steht fest, die nächsten Quartalszahlen der Starbucks werden sehr bescheiden ausfallen.

Der große Blick: Pandemien für die Börse ungefährlich

Diese Frage ist nun logisch: Kann das Coronavirus für einen Crash an den Börsen sorgen? Ich nehme die Antwort vorweg: Es gibt keinen Beleg dafür, dass Pandemien die Börsenentwicklung in irgendeiner Weise berühren. In den vergangenen Jahren haben wir bereits zahlreiche solcher Phänomene erlebt.

Ein Blick in die Vergangenheit: Ende 2002 brach in China die SARS-Pandemie (Schweres Akutes Atemwegssyndrom) aus. In den ersten 6 Monaten nach dem Ausbruch der Pandemie stieg der marktbreite US-Index S&P 500 um 14,5 %. Nach 12 Monaten betrug der Zuwachs satte 20,7 %. Offensichtlich wirkte SARS nicht auf den US-Aktienmarkt. Entscheidend war der vorangegangene Crash der Jahre 2000 bis 2002. Aktien waren damals sehr billig und legten folglich 2003 und auch danach deutlich zu.

Die Schweinegrippe 2009: Der H1N1-Virus trat erstmals im April 2009 in Mexiko auf und griff von dort rasch auf die USA und Kanada über. Damit war quasi die Zentrale der Weltwirtschaft unmittelbar betroffen. Insgesamt starben weltweit über 18.000 Menschen an dem H1N1-Virus. Was passierte an der US-Börse? Der S&P 500 legte in den 6 Monaten nach dem Ausbruch der Pandemie um 18,7 % zu, nach 12 Monaten stand ein Plus von 35,9 % zu Buche.

Insgesamt wurde die Welt seit 1994 von 11 Pandemien – ohne den aktuellen Virus – heimgesucht. Dabei legten in 8 Fällen die US-Börsen nach dem Ausbruch der Pandemie prozentual zweistellig zu. Lediglich 2014/15 (Masern) stand 12 Monate nach Ausbruch der Pandemie ein Verlust von 0,73 % zu Buche. Also wenn Sie unbedingt einen Zusammenhang zwischen Pandemien und Börse konstruieren möchten, dann kann nur gelten: Pandemien verursachen mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 80 % ausgedehnte Hausse-Phasen.

Fazit: Kurzfristig hat der Coronavirus dafür gesorgt, dass einzelne Unternehmen wie die erwähnten Apple und Starbucks in ihren Quartalsprognosen zurückhaltend sind. Langfristig wird die Pandemie allerdings keinen Einfluss auf die Börsenentwicklung haben.

Meine Strategie: Zunächst keine Aktienkäufe geplant

In den vergangenen Wochen und auch Monaten haben wir als Börsianer einen tiefen Schluck aus der Renditepulle genommen. Dabei ist unsere Euphoriekurve steil angestiegen. Zu Deutsch: Der Markt war und ist immer noch überkauft. Jetzt nehmen die Investoren einmal Gewinne mit und nehmen etwas Schaum aus dem Markt. Ich erwarte, dass diese Korrekturbewegung mindestens noch einige Tage anhalten wird. Die gängigen Sentiment-Indikatoren (Stimmungsindikatoren) signalisieren zunächst noch keinen Kaufmarkt.

Vor diesem Hintergrund werde ich auch den jüngst geplanten Erwerb der Workday-Aktie noch etwas zurückstellen. Weitere Details hierzu entnehmen Sie nächstens einer meiner E-Mail-Benachrichtigungen.

Lassen Sie mich abschließend nochmals auf die eingangs erwähnten Kipppunkte zurückkommen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Börsenjahr 2020 eher müde wird. Eine grundsätzliche Trendumkehr, also etwa den Eintritt in eine langgezogene Baissephase hingegen kann ich mir derzeit nicht vorstellen. Unbestreitbar hat das Wachstum in den wichtigen Volkswirtschaften in den vergangenen Monaten eher abgenommen. Hier belastete der zähe Handelsstreit zwischen Washington und Peking.

Diese konjunkturelle Abkühlung stellt allerdings kein strukturelles Problem für den Markt dar, sondern ist nichts anderes als eine zyklisch bedingte Marktbewegung. Zu Deutsch: Die Konjunktur nimmt sich eine Verschnaufpause, die der Aktienmarkt nun entsprechend nachvollzieht.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander von Parseval

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