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Dezember: Meine 4 Prognosen für das Börsenjahr 2020

Liebe Leser,

In diesem Jahr bleiben uns nur noch wenige Handelstage. Gedanklich sind Sie als guter Hausmann oder gute Hausfrau vielleicht schon bei der Planung des großen Weihnachtsmenüs. Als Börsianer befassen Sie sich möglicherweise bereits mit dem kommenden Börsenjahr. Was erwartet uns da? Können wir unsere diesjährigen Gewinne halten oder vielleicht sogar noch ausbauen?

Ich habe mich entschieden, diesmal auf einen konventionellen Jahresausblick zu verzichten. Zuletzt habe ich natürlich zahlreiche Jahresprognosen diverser Kollegen konsumiert und fand die alle eher langweilig. Der Tenor in der Szene lautet ungefähr so: Es wird ein schwieriges und politisches Jahr. Gleichwohl sieht man Potenzial für weitere moderate Kurssteigerungen, auch wenn zwischenzeitlich mit erheblichen Volatilitäten zu rechnen ist.

Ich will niemanden aus der Branche ans Bein treten. Aber solche Prognosen lese ich, seit ich Börsianer bin. Besonders die Prognose gesteigerter Volatilität ist wenig originell. Das ist so wie, wenn ich vorhersehe, dass im kommenden Jahr an vielen Tagen die Sonne scheinen wird, es allerdings mitunter auch stark regnen wird. Solche Prognosen stimmen immer und sind für uns als Börsianer garantiert wertlos.

Von mir lesen Sie im Folgenden stattdessen 4 knackige und pointierte Prognosen. Lassen Sie mich, bevor ich loslege, noch einige Bemerkungen voranstellen: Meine Kollegen irren in einem Punkt sicherlich nicht. Auch 2020 wird wieder einmal ein politisches Jahr. Vor allem die Anfang November stattfindenden US-Präsidentschaftswahlen werden im Verlauf des Jahres zu einem wichtigen Einflussfaktor für die Aktienmärkte. Hier ein kleiner Terminkalender für Sie:

Im Februar startet die Demokratische Partei ihre internen Vorwahlen zur Bestimmung ihres Präsidentschaftskandidaten. Bereits Ende März wird man rund 2 Drittel der Vorwahlen absolviert haben. Dann wird sich zumindest bei den Demokraten ein Favorit herauskristallisieren. Mitte Juli findet dann der Nationale Parteitag der Demokraten statt, der dann endgültig den Kandidaten kürt.

Donald Trump übrigens muss auch noch vom Parteitag der Republikaner (August) zum Kandidaten bestimmt werden. Automatisch ist der Mann nicht gesetzt. Theoretisch kann er durch eine Art Parteirevolte noch gestürzt werden und von der Wahl im November ausgeschlossen werden.

Nun zur Sache!

Prognose 1: US-Wahl kann schweren Crash auslösen

Üblicherweise sind Wahljahre in den USA für uns als Börsianer eher starke Jahre mit guten Renditen. So schaffte der S&P 500 im Jahr 2016 – Donald Trump wird Präsident – vor Dividenden einen Zuwachs von 11 %. Besonders dynamisch kam der US-Markt besonders an den Tagen unmittelbar nach der Wahl voran.

Diesmal droht uns das genaue Gegenteil. Denn im Kandidatentopf der Demokraten finden sich doch einige illustre Persönlichkeiten, die die Wall Street nicht unbedingt in politischer Verantwortung sehen will. Da ist zunächst der derzeitige Senator des US-Bundesstaates Vermont, Bernie Sanders, der mit Hingabe gegen die Big-Tech-Unternehmen polemisiert. Besonders Facebook und Alphabet stehen als tatsächliche oder vermeintliche Monopolisten im Fokus seiner Kritik.

Wird dieser Mann Präsident, droht den Big-Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley zumindest einmal eine neue Digitalsteuer. Ferner möchte der Mann aus Vermont in die Eigentumsverhältnisse und in das Geschäftsmodell der Unternehmen eingreifen. Seine Ideen hier: Fusions- und Übernahmeverbote bis hin zu einer Zerschlagung der Big-Tech-Giganten.

Ferner verspricht Sanders „Internet für alle“. Was verbirgt sich hinter dieser Wendung? Sanders ist der Meinung, dass das schnelle Breitband-Internet bei den Telekom-Versorgern wie AT&T, Verizon oder Comcast nicht in besten Händen ist. Er hat nicht ausdrücklich erklärt, wo es denn in besseren Händen wäre. Aber solche Internet-für-alle-Politik klingt für mich mindestens einmal nach Preisregulierung und anderen Begrenzungen für die Unternehmen der Telekom-Branche.

Und die Demokraten haben mit Ms. Elizabeth Warren gleich noch einen weiteren potenziellen Börsenschreck im Kandidatentopf. Die Senatorin aus Massachusetts hat es mit den US-Großbanken wie Goldman Sachs, Wells Fargo oder Citigroup. Sie sieht hier ebenfalls monopolistische Strukturen, die zumindest begrenzt gehören. Aber auch Sie als Anleger hat die Dame im Blick. So stellt sie sich vor, dass wir künftig beim Kauf eines US-Wertpapiers eine Finanztransaktionssteuer bezahlen. Selbstverständlich soll diese Steuer auch für US-Investoren gelten.

Derzeit liegen Sanders und Warren in den Meinungsumfragen ungefähr gleich auf mit dem gemäßigten Joe Biden. Der letztgenannte wäre den Investoren sicherlich genehm. Sanders und Warren haben allerdings realistische Chancen für ihre Partei in den Wahlkampf um die Präsidentschaft zu ziehen. Damit wäre die laufende Hausse zumindest gebremst. Zieht einer der Persönlichkeiten sogar ins Weiße Haus ein, müssen wir auf massive Rücksetzer vorbereitet sein.

Prognose 2: Bitcoin am Ende – Gold startet weiter durch

Der Chart verrät uns schon viel. Besonders im vergangenen Jahr kollabierte der Bitcoin. Zuletzt hat sich die digitale Kunstwährung zwar wieder spürbar erholt. Dennoch, der Bitcoin konnte bislang die Erwartungen des Marktes nicht erfüllen. Unverändert findet die Währung auch keinen Zutritt in die reale Wirtschaftswelt und spielt als Zahlungsmittel selbst im Internet keine echte Rolle.

Was ist das Problem? Die Politik mauert und wünscht keine Parallelwährung neben den jeweiligen nationalen Währungen. Zwar liegt dem deutschen Bundestag derzeit ein Gesetzentwurf vor, der den deutschen Kreditinstitut erstmals die Verwahrung und die Lagerung digitaler Währungen gestatten soll. Allerdings wird diese Erlaubnis eingerahmt von massiver Regulierung. So muss die Bank umfängliche Dokumentationspflichten erfüllen, weiteres Eigenkapital für die Krypto-Währungen hinterlegen etc. Fazit: Auf dem Papier sieht der Gesetzentwurf recht progressiv und liberal aus. In der Praxis wird das Bundesfinanzministerium die gute Idee auf dem Verordnungsweg zunichtemachen.

Auch die Bemühungen des Mark Zuckerberg (Facebook) um eine eigene global akzeptierte Krypto-Währung (Libra-Projekt) scheinen im Sande zu verlaufen. Erst kürzlich haben sich die Zahlungsdienstleister Mastercard, Visa und eBay aus dem Libra-Konsortium verabschiedet. Auch der Online-Händler eBay hat keine Lust mehr auf Libra und hat sich ebenfalls aus dem Gründerkonsortium zurückgezogen. Das ist schade, denn Libra hätte das Potenzial für eine echte Weltwährung gehabt. Unternehmen hätten im Auslandsgeschäft Währungsrisiken ausschalten können und daneben viel Kosten, die durch Umrechnung und Tausch entstehen, vermeiden können.

Die bessere Parallelwährung für uns wird im kommenden Jahr zweifellos Gold sein. Der Markt ist in guter Verfassung und hat die Korrekturbewegung der Jahre 2013 bis 2015 mittlerweile abgeschlossen. Das Vermögensniveau in dieser Welt ist weiterhin stattlich, und viele Investoren misstrauen unverändert der Neuen Geldpolitik der Notenbanken. Diese Konstellation spricht für weiter steigende Gold- und Silbernotierungen.

Prognose 3: Großbritannien jetzt besser als EU

In den bundesdeutschen Medien lesen Sie fortlaufend, wie schädlich der Brexit für die britische Volkswirtschaft ist und dass sich das Inselvolk mit dem Brexit-Entscheid ins Knie geschossen hat. Ich teile diese Meinung nahezu uneingeschränkt. Sogar der alte und neue britische Premierminister Boris Johnson weiß sehr genau, dass der Brexit nicht unbedingt ein starkes Konjunkturprogramm für sein Land ist.

Deshalb verordnet er nun Großbritannien ein straffes Reformprogramm, um das Land fit zu machen für den Konkurrenzkampf jenseits der EU. In jedem Fall wird die neue britische Regierung zunächst die Einkommenssteuer absenken und damit die Steuerzahler entlasten. Wahrscheinlich ist auch eine Reform bzw. Senkung der Unternehmenssteuern. So will Johnson die befürchtete Abwanderung britischer Unternehmen aufs Festland verhindern und im Idealfall sogar Unternehmen aus dem Ausland anziehen. Kurzum: Großbritannien macht sich jetzt richtig sexy für Unternehmen und Investitionen.

Mittelfristig wird die Klärung der Brexit-Frage ohnehin dreistellige Millionen-Investitionen diesseits und jenseits des Ärmelkanals freisetzen. Denn die dreijährige Brexit-Hängepartie hatte genau diese Investitionen blockiert. Aber: Das Geld ist noch da und wird in den kommenden Monaten investiert.

In dem Sinn wird es sich für Sie auszahlen, nächstens einmal die Britannien-Quote für Aktien in Ihrem Depot hochzufahren. Abschließend werde ich ausnahmsweise emotional: Ich bin anglophil, habe besonders in jüngeren Jahren England vielfach gerne besucht. So bedauere ich den „Abgang“ der Briten aus Europa. Aber: Norwegen und Schweizer sind auch nicht in der EU und trotzdem mögen wir sie, oder?

Prognose 4: FANG war gestern – jetzt wollen die Investoren New Software

Ich schicke es gleich vorweg: Facebook, Amazon, Netflix und Google (Alphabet) sind großartige Unternehmen und werden dies absehbar auch noch einige Jahre bleiben. Gerade in den USA sind allerdings in den letzten Jahren diverse Software-Unternehmen entstanden, die sich anschicken die Branche umzukrempeln. Diese jungen Wilden wie etwa Twilio, Splunk, HubSpot oder mit Abstrichen hierzulande TeamViewer rütteln am Thron der Altvorderen. Ihre Aktien versprechen maximale Renditen und werden im kommenden Jahr die FANG-Aktien überflügeln.

Ich bezeichne dieses Marktsegment als New Software. Was ist typisch für die unterschiedlichen Software-Anwendungen dieser Unternehmen. Zunächst wird hier selbstverständlich künstlich intelligent programmiert und außerdem alles in der Cloud abgeladen. Da ist jetzt noch nicht das Besondere. Cloud und KI sind bekanntlich inzwischen absoluter Branchenstandard.

Die jungen Wilden beschreiten vor allem in punkto Vertrieb, Anwendung und Entgeltmodellen völlig neue Wege. Was meine ich konkret?

1. Der Vertrieb wird heutzutage nach dem sog. Freemium-Modell organisiert. Danach nutzt der Kunde zunächst unverbindlich und quasi spielerisch eine freie und kostenlose Basisversion. Selbstverständlich reichen die Funktionen dieser Version nicht weit. Also bestellt der Kunde – in der Regel Unternehmen – einige Leistungsmerkmale aus einem Baukasten hinzu, die nun natürlich kostenpflichtig sind. Der Kunde gleitet also idealerweise immer tiefer in die Software. Die wichtigen Vertriebskanäle der New-Software-Unternehmen sind dabei Facebook oder etwa die Google-Suchmaschine. Konventionelle Vertriebsstrukturen mit Vertretern und Repräsentanten sind nicht mehr gefragt.

2. Die Anwendung in den Unternehmen erfolgt dezentral. Zu Deutsch: Die Abteilung X innerhalb eines Unternehmens nutzt unter Umständen eine andere E-Mail-Software als die Abteilung Y. Mitunter mag das zu Problemen der Kompatibilität führen. Diese Kleinteiligkeit hat allerdings aus Sicht von Twilio und Co den großen Vorteil eines schnellen und unkomplizierten Zugangs zu den Kunden. Man spricht immer direkt mit den Anwendern, die im Rahmen einer eigenen Budgetverantwortung die Software eigenständig auswählen dürfen. Und Sie verkaufen einem großen Unternehmen weit schneller 100 Kleinanwendungen als eine großen Software-Lösung für eine siebenstellige Lizenzgebühr.

3. Das Preismodell: Stellen Sie sich vor, Sie mieten eine Lizenz für die Office-Anwendung aus dem Hause Microsoft. Dann haben Sie eine feste Vertragslaufzeit und natürlich auch einen vertraglich vorab fixierten Preis. Wie intensiv Sie die Software nutzen, spielt für den Preis also keine Rolle. New Software funktioniert ganz anders: Hier bezahlen Sie nach Nutzung bzw. pro Vorgang. Beispiel: Sie haben als Betreiber des Online-Shops socken24.de eine große Mailing-Kampagne zur Vorstellung Ihrer Weihnachtskollektion gestartet. Hier bezahlen Sie nun 2 Euro-Cent pro versandter Mail. Im nächsten Quartal stehen hingegen keine Kampagnen auf dem Programm. Also entstehen Ihnen für die Software keine Kosten. Ich kann Ihnen versichern, vor allem Mittelständler stehen auf solche flexiblen Lösungen und Preismodelle. Aber auch Nestlé oder Porsche nehmen solche Modelle gerne in Anspruch.

Was machen eigentlich die hier genannten Software-Unternehmen konkret? Ein Beispiele Twilio koordiniert und automatisiert die externe Kunden-Kommunikation eines Unternehmens. Egal, ob Sie Nestlé oder ein vergleichbares Unternehmen über Facebook, Instagram oder per E-Mail kontaktieren, die Twilio-Software führt jede Kommunikation auf einer Plattform zusammen. Damit hat das Unternehmen immer den sog. Rundum-Blick auf den Kunden bzw. die bisherige Kommunikation.

Noch ein Beispiel: HubSpot entwickelt E-Mail-Kampagnen, selektiert die Kundendatei nach bestimmten Merkmalen und führt auch den Versand automatisch durch. Für solche Vorgänge unterhalten viele Unternehmen heute noch ganze Abteilungen.

Zum Abschluss: Die Aktien der jungen Wilden sind leider nicht immer ganz pflegeleicht und eignen sich nicht unbedingt als sanftes Ruhekissen. Viele der New-Software-Unternehmen schreiben zudem noch keine schwarzen Zahlen. Anders gesprochen: Diese Aktien sind so wie die von Amazon, Alphabet oder Netflix in ihren ersten Börsenjahren.

Hinweis auf Interessenkonflikt: Ich bin derzeit persönlich oder für Dritte in der Aktie der Twilio investiert.

Depotcheck: Wieder ein schönes Depot mit ganz kleinen Unwuchten

Jeweils zum Ende des Quartals bespreche ich im Rahmen dieses Monatsdienstes reale Depots von Mit-Börsianern. Diesen Hinweis kennen Sie jetzt schon. Außerhalb eines Vermögensverwaltungs-Auftrags ist mir eine individuelle Anlageberatung oder Depotanalyse nicht gestattet. So habe ich mich in Absprache mit dem Mit-Börsianer entschieden, das Depot öffentlich zu besprechen. Auf diese Weise profitieren Sie alle und erfahren, wie ein Profi an ein Depot herangeht.

Hinweis auf Interessenkonflikt: Möglicherweise werden Sie den Eindruck gewinnen, dass ich im Folgenden einzelne Aktien besonders positiv bespreche. Das kann damit zusammenhängen, dass ich diese Aktien für mich selbst oder für Dritte angeschafft habe und dass daher mein Urteil nicht ganz objektiv ist. Dieser Hinweis gilt für folgende Aktien des oben abgebildeten Depots: 3M Co., BASF SE, Intel Corp., Nestlé SA, Novo-Nordisk AS sowie Royal Dutch Shell.

Nun aber zum Depot! Sie sehen hier ein wohlsortiertes und relativ gut diversifiziertes Aktiendepot. Dabei hat der Anleger ein regionales Übergewicht in Nordamerika ausgebildet. In der Vergangenheit war diese strategische Orientierung genau richtig. So haben die US-Aktienmärkte regelmäßig besser abgeschnitten als etwa europäische. Hier möchte ich nun allerdings meine eingangs gestellte Prognose 1 (Crash nach US-Wahl) nochmals in Erinnerung rufen. Der Anleger hält derzeit zwar keine der oben genannten „Problemunternehmen“, die im Fokus der Politik stehen. Gleichwohl wird dieses Depot bei einem „falschen“ Wahlausgang überdurchschnittlich leiden. Hier ist der Kollege also aufgerufen, sich nächstens mit der Entwicklung des anlaufenden US-Wahlkampfs im Detail zu beschäftigen. Gegebenenfalls kann das Depot aufgrund der US-Fokussierung durch einen Short auf den S&P 500 schnell und wirkungsvoll abgesichert werden.

Branche Pharma/Healthcare: Rund 18 % des Gesamtdepots hat der Anleger in der Healthcare-Branche investiert. Diese Gewichtung – wenn auch sicherlich eine kleine Übergewichtung – halte ich für unproblematisch. Tatsächlich bietet die Branche im kommenden Jahr sogar gewisses Extra-Potenzial. Vor allem dann, wenn der gemäßigte Demokrat Joe Biden zum US-Präsident gewählt wird. Biden steht nämlich für einen Ausbau des US-Gesundheitssystems. Damit dürften viele US-Amerikaner verbesserten Zugang zu Arzneimitteln und anderen medizinischen Produkten erhalten.

Einzeltitel: Hier sehe ich eine Schwachaktie, nämlich Gilead Sciences. Das US-Unternehmen hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe wichtiger Patente verloren. Erst im vergangenen Jahr kassierte ein deutsches Gericht den Patentschutz für das zuvor umsatzstarke HIV-Präparat Truvada. Die neuen Präparate konnten die Umsatzausfälle aus den vergangenen Jahren noch nicht ausgleichen. Ich sehe die Gilead-Aktie derzeit nicht von weiteren Kursverlusten bedroht. Allerdings vermisse ich hier eine gewisse Wachstumsfantasie. Denkt der Anleger eher offensiv, sollte er den Verkauf der Aktie ins Auge fassen.

Öl/Gas: Hier fiel mir die Position des großen französischen Ölförderers Total ins Auge. Das Unternehmen ist über jeden Zweifel erhaben und schüttet auch regelmäßig hohe und absehbar stabile Dividenden aus. Gleichwohl würde ich diese Position veräußern und das freiwerdende Kapital auf die Positionen Exxon und Royal Dutch verteilen. Denn Frankreich erhebt eine Quellensteuer, die die Freude an der hohen Dividende doch etwas trübt. Die Dividenden der Exxon und der Royal Dutch hingegen fließen Ihnen jenseits der deutschen Abgeltungsteuer ungeschmälert zu. Diese Maßnahme wird letztlich die Rendite der Abteilung Ölaktien im Depot also nur verbessern.

Industrie: Hier konnten zuletzt die Positionen 3M und BASF nicht gänzlich überzeugen. 3M patzte bei den Geschäftszahlen zum vorletzten Quartal. Hier musste man einräumen, dass sich die Gewinndynamik der Vergangenheit zumindest vorübergehend nicht aufrechterhalten lässt. In der Folge setzte die Aktie nach 2018 zum zweiten Mal innerhalb relativ kurzer Zeit spürbar zurück. Damit sollte die Korrektur nun abgeschlossen sein. Gleichwohl habe ich großes Vertrauen zu dem US-Unternehmen, dass zu den sog. Dividendenaristokraten gehört. Gleiches gilt im Kern auch für BASF. Das Unternehmen hat natürlich nicht das Potenzial zur Kursrakete, dürfte gleichwohl langfristig ein solider Performer und guter Dividendenzahler bleiben. Sehr spannend finde ich in diesem Segment die Aktie des Schmiermittelherstellers Fuchs Petrolub. Auch diese Aktie versagte zuletzt. Wer hier mutig ist, nutzt diese seltene Gelegenheit zum Nachkauf.

Endkunden/Markensammler/Konsum: Ich muss gleich vorwegschicken, ich bin nicht der ganz große Anhänger dieser großen Markenunternehmen. Es ist richtig, diese Titel bringen Stabilität in jedes Depot. Und wenn Sie einmal Aktien für eine bevorstehende Rezession brauchen, sind Nestlé und Co auch immer eine gute Wahl. Aber wo ist das Wachstum?

Beispiel Nestlé: Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Schweizer Konzern einen Umsatz von 91,4 Milliarden Franken. Bereits 2012 schafften die Schweizer eine Umsatz von 92,2 Milliarden Franken. Das Unternehmen ist also in den letzten Jahren gemessen am Umsatz sogar geschrumpft und hat nicht einmal die Inflation ausgeglichen. Beim Gewinn pro Aktie ist die Entwicklung etwas günstiger. Aber auch hier hat man die Inflation nicht geschafft. Noch offensichtlicher wird die Malaise der Branche bei Procter & Gamble. In den letzten 6 Jahren ging hier der Umsatz unter dem Strich um 20 % zurück.

Verstehen Sie mich nicht falsch! Nestlé und die anderen Markensammler sind starke Unternehmen und gehören in jedes Depot. Hier finde ich allerdings eine sehr dominante Gewichtung dieser Branche von rund 34 % vor. Gut, wir dürfen schon Nike und Starbucks aus der Gewichtung herausrechnen. Das ist zwar auch Endkunden-Geschäft, aber doch anders als jenes von Nestlé oder Procter & Gamble. Gleichwohl: Diese Übergewichtung ist nicht gerechtfertigt und sollte allmählich reduziert werden.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zur Tabak-Branche verlieren. Im letzten Depotcheck hatte ich mich hier kritisch geäußert und zum Verkauf geraten. Hier möchte ich nun zumindest teilweise zurückrudern, nachdem ich letztens den britischen Zigaretten-Hersteller Imperial Brands in der Analyse hatte. Mittlerweile sind die Aktien derart günstig, dass ein Verkauf kurzfristig nicht mehr erforderlich ist. Im Gegenteil: Ich stufe Tabak oder hier konkret Altria nun als attraktive Haltepositionen ein. Möglicherweise sehen wir hier im kommenden Jahr sogar eine kleine Zwischenrally. Spätestens dann gilt allerdings meine Einschätzung aus dem vergangenen September wieder, nämlich Verkaufen.

Liebe Börsianer,

zuletzt bleibt mir noch, Ihnen und Ihren Angehörigen ein ganz entspanntes und frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Außerdem sollen Sie natürlich bestens und bei guter Gesundheit ins Neue Jahr kommen.

Dann lesen Sie wieder planmäßig am 31. Januar von mir. Für diesen Termin darf ich jetzt schon einmal große Neuigkeiten aus dem Hause von Parseval & Collegen ankündigen. Mehr verrate ich allerdings noch nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander von Parseval

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