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November: Ein erster Ausblick: So wird das Börsenjahr 2020

Liebe Leser,

entschuldigen Sie die vulgäre Wendung! Aber eigentlich sind wir Börsianer doch „arme Schweine“. Zwar haben wir im laufenden Jahr mehr als nur solide verdient. Der DAX etwa verbesserte sich auf Sicht von 12 Monaten um 17 %. Seit Jahresbeginn liegt der deutsche Leitindex sogar deutlich über 20 % im Plus. Dabei legte der DAX und auch andere wichtige Aktien-Indizes wie üblich recht unharmonisch zu. So holten wir uns fast 50 % der Jahres-Performance in einem Zeitraum von nur 4 Wochen, nämlich ziemlich genau zwischen dem 4. Oktober und dem 4. November.

Das zeigt einmal mehr: Man soll es mit dem Timing, also der Suche nach dem richtigen Einstiegskurs, nicht übertreiben. Denn kurzfristig ist die Börse immer unberechenbar. Oder haben Sie mit diesem „goldenen Oktober“ gerechnet?

Aber zurück zu den Schweinen! Langsam richten wir unseren Blick natürlich auf das bevorstehende Börsenjahr. Und dieser Blick treibt sicherlich dem ein oder anderen von uns die Sorgenfalten auf die Stirn. Können wir die Hausse nahtlos fortsetzen oder droht uns 2020 eine saftige Korrektur?

Wie ich schon angedeutet habe: Börsianer sind nie wirklich glücklich. Fallen die Kurse, neigen wir ohnehin zur Depression. Steigen die Kurse ist es auch nicht gut, weil wir um den Erhalt unserer Gewinne in der Zukunft fürchten. Aber bleiben wir zunächst in der Gegenwart.

Auch im abgelaufenen Monat legten die maßgeblichen Aktienmärkte weiter spürbar zu. Die US-Indizes rückten im Schnitt um rund 4 % vor, während der DAX über 2 % Plus schaffte. Die Investorenschaft ist offensichtlich weiterhin optimistisch und risikobereit. Die Konservativen fassen bei den klassischen Dividendenaktien zu, auch wenn es hier nur noch selten nennenswerte Dividendenrenditen zu holen gibt. Die offensiven Anleger setzen auf die neue Gattung der Ultra-Wachstumsaktien wie etwa Splunk, HubSpot oder ServiceNow und akzeptieren dabei sehr oft maximale Bewertungen.

Kurzfristig spricht viel dafür, dass die erhöhte Risikoneigung der Anleger den Aktienmarkt weiter treiben wird. Viele Investoren sind nämlich der Meinung, dass sie bislang etwas zu kurz gekommen sind oder zu konservativ disponiert hatten. Diese Gruppe rennt nun allen Zügen hinterher, die möglicherweise schon abgefahren sind. Kurzum: Ich erwarte, dass wir im Dezember eine angenehme Jahresendrally sehen werden.

Zwar sehe ich im Markt gegenwärtig auch einige kleine Störer. So schreitet die Wiederannäherung zwischen Peking und Washington nicht wie gewünscht voran. Das neue Handelsabkommen – das sogenannte Phase-1-Abkommen – ist noch nicht in trockenen Tüchern. Und zuletzt hat der US-Kongress einige Sanktionen gegen die Sonderwirtschaftszone Hongkong beschlossen. Der US-Gesetzgeber reibt sich am harten Vorgehen der lokalen Polizeikräfte gegen die junge Hongkonger Demokratiebewegung.

Donald Trump hat nach einigem Zögern das Gesetz des US-Kongresses nun auch in Kraft gesetzt. Gleichwohl hat er schon durchblicken lassen, dass er am Ende des Tages nicht wegen Hongkong die Beziehungen zu China aufs Spiel setzen wird. Dennoch kann dieser Sachverhalt kurzfristig durchaus für Irritationen am internationalen Aktienmarkt sogar.

Auf der anderen Seite fehlen mir die großen Unterstützer oder Kursturbos für den internationalen Aktienmarkt. Die EZB hat ihr geldpolitisches Pulver weitgehend verschossen. Eine weitere Senkung des Leitzinses, dann ins negative Terrain, wird die Realwirtschaft kaum noch stimulieren.

Problematisch ist zudem, dass die Maßnahmen der EZB bereits seit vielen Monaten nur noch sehr selektiv funktionieren. So kommt etwa das billige Notenbankgeld ungeachtet aller Bemühungen immer noch nicht bei den mittelständischen Unternehmen an. Kaum ein deutscher – geschweige denn spanischer oder italienischer – Mittelständler hat Zugang zu dem billigen Geld der EZB.

Sofern Ihr Unternehmen nicht gerade Bosch, Würth oder Dr. Oetker heißt, berappen Sie als Mittelständler unverändert für ein mittelfristiges Bankdarlehen mindestens 5 %. Von den Nullzinsen der Euro-Zone profitieren unverändert nur die großen wie Siemens, VW oder Münchener Rück.

Der globale Maßstab: Ein ähnliches Bild sehen wir in Japan. Auch hier ist es kaum noch von Relevanz, wie die Währungshüter agieren werden. Immerhin in den USA und auch in China sehe ich noch gewissen geldpolitischen Spielraum.

2020: Kein Crash in Sicht – Geldpolitik aber mittlerweile wirkungslos

Blicken wir nun in die Zukunft! Was wird uns das Börsenjahr 2020 bringen? Nun, im Prinzip sind Prognosen an der Börse eigentlich für die Katz, weil am Ende kommt es doch immer anders. Gleichwohl brauchen wir als Börsianer natürlich eine Marktmeinung, denn ohne eine solche grundsätzliche Einschätzung können wir keine Gesamtstrategie für unser Depot entwickeln.

Letztlich müssen wir laufend entscheiden, etwa ob wir mit vollem Kapital im Risiko (Aktienmarkt) bleiben oder ob wir eine höhere Cashquote aufbauen. Möglicherweise brauchen wir sogar eine pro-aktive Absicherung, also einen Short auf den DAX oder etwa den S&P 500. Oder: Müssen wir Gold als Krisenwährung wieder stärker berücksichtigen usw.? Mit allen diesen Fragen schlagen Sie sich als Vermögensverwalter und auch als Selbstentscheider herum. Antworten auf diese Fragen finden Sie allerdings nur, wenn Sie eine Prognose wagen.

Also auf zur Prognose: Gegenwärtig sehe ich für den Aktienmarkt kaum belastende Faktoren. Die meisten Unternehmen arbeiten operativ erfolgreich, auch wenn man nicht mehr überall neue Rekordgewinne schafft. Auch die Privatverbraucher vor allem in Nordamerika und Mitteleuropa sind mehrheitlich guter Dinge.

Erfreulich ist zudem, dass die US-Verbraucher aus der Krise 2008 gelernt haben und heute relativ zu ihrem Einkommen weiter weniger verschuldet sind als damals. Zur Erinnerung: Die exorbitante private Verschuldung in den USA erwies sich 2008 als eine zentrale Ursache der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Auch der dortige Immobilienmarkt weist keine nennenswerte Überbewertung auf. So liegt die Anzahl der viel beachtete Index der Housing Starts (Bauneubeginne) derzeit immer noch 8 % unter dem langjährigen Durchschnitt (Erfassung der Daten seit 1959). Damit hat die lockere Geldpolitik der US-Notenbank entgegen vieler Prognosen in den USA bis jetzt noch nicht zu einer Immobilienblase geführt.

Fazit: Die besonders in Deutschland grassierende Angst vor einem erneuten Kollaps des Finanzsystems oder einem historisch nie dagewesenen Super-Crash halte ich für unbegründet. Das geben die fundamentalen Daten einfach nicht her.

Das Hauptproblem: Die Wachstumsdynamik lässt weltweit nach

Bereits seit Anfang 2018 nimmt die Wachstumsdynamik in den wichtigen Volkswirtschaften allmählich ab. Hier hat sich in den vergangenen Quartalen ein klarer Trend ausgebildet. So expandierte das US-Bruttoinlandsprodukt Mitte 2018 noch mit einer Rate von 3,2 %. Aktuell wächst die Volkswirtschaft in den USA – gerechnet auf den Vorjahreszeitraum – nur noch um 2,1 %. Vergleichen Sie hierzu auch bitte meine grafische Darstellung!

Das nämliche Bild hierzulande: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt wuchs Anfang 2018 noch mit einer starken Rate von 3,4 %. Inzwischen expandiert die hiesige Volkswirtschaft nur noch mit einer Rate von 0,5 %. In der Euro-Zone sank das Wachstum zwischen Januar 2018 und der Gegenwart von 3 auf 1,2 %. Nicht ganz so eindeutig ist der Trend in Japan. Die dortige Volkswirtschaft entging Ende 2018 nur knapp der Rezession. Seitdem hat sich das konjunkturelle Bild wieder aufgebessert. Gleichwohl ging auch dort im Vergleich zum Vorjahr die Wachstumsrate von 2,4 auf 1,3 % zurück.

Fazit: Von einer Rezession kann Stand heute keine Rede sein. Ich folgere aus dem gegenwärtigen negativen Trend auch nicht zwingend, dass wir im Verlauf des kommenden Jahres in eine Rezession abgleiten werden. Unbestreitbar ist freilich, dass die anhaltende Wachstumsschwäche ihren Niederschlag in den Geschäftszahlen der Unternehmen finden wird. Zu Deutsch: Gleich zu Beginn des neuen Börsenjahres dürfen wir uns auf zahlreiche Hiobsbotschaften aus den Unternehmen einstellen. Ich erwarte, dass sich die bisherigen Gewinnprognosen der Unternehmen für 2020 mehrheitlich nicht halten lassen.

Vor diesem Hintergrund erwarte ich für uns als Börsianer ein eher durchwachsenes Börsenjahr. Weitere Kursanstiege in den breiten Leitindizes halte ich für nahezu ausgeschlossen. Ferner erwarte ich eine deutliche Zunahme der Volatilität (Schwankungsbreite). Eine ausgewachsene Korrektur hingegen befürchte ich nicht. Mit anderen Worten: 2020 werden wir als Börsianer nochmals kleinere Brötchen backen.

Lediglich einzelne Branchen werden uns im kommenden Jahr noch Renditepotenzial bieten. Welche das sein werden, lesen Sie noch vor Weihnachten in meiner Detailprognose 2020. Dort befasse ich mich z.B. mit dem Goldmarkt. Außerdem erkläre ich Ihnen, warum die Kunstwährung Bitcoin keine Zukunft hat. Ferner erfahren Sie, warum 2020 zum Jahr der E-Mobilität wird und wie wir davon profitieren werden.

Mit freundlichen Grüßen

und besten Wünschen für Ihr Wochenende

Alexander von Parseval

PS: Ein Hinweis in eigener Sache: Üblicherweise schicke ich Ihnen Mein Parseval immer am letzten Börsentag eines jeden Monats zu. Aufgrund der zahlreichen Feiertage zum Jahresende weiche ich im Dezember von dieser Regel ab. So werde ich Ihnen diesmal Mein Parseval bereits am Freitag, den 20. Dezember zuschicken.

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