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August: Nach Facebook – das sind die neuen Internet-Champions

Liebe Leser,

es tut mir leid, aber ich muss Sie schon wieder mit Brexit und Handelskrieg langweilen. Tatsächlich sind es genau diese Ereignisse, die die Entwicklung des globalen Aktienmarktes im Hintergrund unverändert stark beeinflussen. Die politische Unsicherheit in Washington, Peking und London erstickt jede Haussebewegung derzeit im Keim. So verlor der DAX im August fast 5 %, während der US-Aktienmarkt gemessen am S&P 500 über 3 % einbüßte.

In Asien sieht die Großwetterlage nicht grundsätzlich anders aus. Der Nikkei verlor im August ebenfalls knapp 5 %. Die chinesischen Börsen schlugen sich zwar auf den ersten Blick besser. Die dortigen Aktienmärkte notierten aber bereits zuvor schon recht weich. Der Hang-Seng-Index der Börse Hong Kong etwa notiert auf Jahressicht fast 9 % in den Miesen. Hier belasten neben dem amerikanisch-chinesischen Handelskrieg auch noch die anhaltenden politischen Proteste.

Nutznießer der aktuellen politischen Unsicherheiten sind erwartungsgemäß die bekannten sicheren Häfen wie der US-Rentenmarkt. Allein in den letzten 3 Monaten sind hier Milliarden frisch in die Rentenfonds geflossen. Daneben boomt Gold. Das gelbe Edelmetall rückte im August um 7 % vor. Wer am Edelmetallmarkt noch mehr Dampf will, kauft Silber. Das Edelmetall verbesserte sich im gleichen Zeitraum um über 10 %. Dennoch weist Silber auf 5-Jahressicht immer noch eine ganz ungewöhnliche Under-Performance (Schlechter-Entwicklung) in Höhe von 25 % auf. Diese Schere, die sich in diesem Zeitraum geöffnet hat, wird sich nun allmählich wieder schließen.

Hier lege ich mich fest: Wer Edelmetalle mag, darf momentan bei Silber nochmals richtig zufassen. Betrachten Sie hierzu bitte auch die Chartdarstellung!

Wird aus der Wachstumspause eine Rezession?

Unterdessen verdichten sich die Anzeichen, dass Europa zumindest in eine Wachstumspause eintreten wird. Besonders Deutschland, das für knapp 30 % der Wirtschaftsleistung der EU steht, schwächelt. Im vergangenen Quartal sank das Bruttoinlandsprodukt hierzulande im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 %. Gleichwohl sei zur Ehrenrettung des deutschen Standortes erwähnt, dass die Volkswirtschaft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch um 0,4 % gewachsen ist.

Bedenklich ist zudem, dass im Juli ungeachtet der guten Beschäftigungslage die Binnenkonjunktur hierzulande schwächelte. So sanken die Umsätze im Einzelhandel – also inclusive der Online-Umsätze – um 2,2 %. Auch Italien lahmt und meldete für das abgelaufene Quartal ein Null-Wachstum.

Der Kurszettel spiegelt die Konjunkturabkühlung bereits wider. So sind derweil viele konjunktur-sensible Aktien wie etwa BASF, Siemens oder auch die Autowerte auf Tauchstation gegangen. In den USA leiden ebenfalls die Zykliker aus der Industrie wie 3M, Rockwell Automation oder Illinois Toolworks.

Ein ähnliches Bild sehen wir in den Schwellenländern: China wächst, sofern es überhaupt noch wächst, so schwach wie seit 27 Jahren nicht mehr. Die indische Volkswirtschaft befindet sich in einem 11-Jahrestief.

Brexit und Handelskrieg haben freilich nicht alleinzig die globale Wachstumsabschwächung nicht ausgelöst. Entscheidender war und ist, dass die Unternehmen besonders in Mitteleuropa und den USA nahe der Kapazitätsgrenzen produzieren. In den typischen Boomregionen dieser Welt wie etwa Kalifornien oder Süddeutschland ist der Arbeitsmarkt leergefegt. Hier herrscht Überbeschäftigung. Mit anderen Worten: Es gibt mehr offene Stellen als Bewerber. Und jeder unbesetzte Arbeitsplatz bedeutet für die Unternehmen Wachstumsverlust.

Vor diesem Hintergrund ist die Abkühlung des globalen Wachstums nur logisch. Derzeit sehe ich keine grundsätzlichen Krisensymptome, sondern eben lediglich einen zyklisch bedingten Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Hier kommen wir jetzt nun wieder zu Brexit und Handelskrieg zurück. Als US-Unternehmer werden Sie sich im Moment hüten, neue Kapazitäten in China aufzubauen. Schließlich wissen Sie nicht, zu welchen Bedingungen Sie Ihre Produkte etwa in die USA künftig einführen werden.

Die Situation in Großbritannien: Derzeit sind rund 2.400 deutsche Unternehmen auf den britischen Inseln aktiv. Auch hier hat man alle strategischen Planungen weitgehend eingestellt. Völlig unklar ist, zu welchen Bedingungen man künftig Vorprodukte einführen bzw. Endprodukte in die EU ausführen wird.

Ungeklärt ist zudem die Frage, ob Großbritannien nach einem harten Brexit wieder eigene Zulassungsverfahren etwa für Autos oder medizinische Präparate einführen wird. Noch absurder: Stand heute ist es eigentlich ungeklärt, ob ein nach Großbritannien entsandter Mitarbeiter aus einem EU-Land künftig überhaupt auf der Insel weiterarbeiten kann.

Hier stellen sich für die Praktiker und Planer in den Unternehmen derzeit eine ganze Reihe von unangenehmen Fragen. Nochmals zur Erinnerung: Europäische Unternehmen arbeiten nun bereits seit über 3 Jahren in diesem Schwebezustand.

Ohne Zweifel: Die anhaltenden politischen Unsicherheiten werden über kurz oder lang dazu führen, dass sich die derzeitige Wachstumspause zu einer veritablen Rezession auswächst. Dabei wäre es letztlich gar nicht so entscheidend, was in Washington, Peking oder London konkret beschlossen wird. Wichtiger ist, dass überhaupt etwas beschlossen wird, dass wieder Klarheit in den Markt zurückkehrt. Unternehmen brauchen wieder Rechtssicherheit und möchten wissen, mit welchen Zöllen oder Handelshemmnissen sie in den kommenden Jahren planen können.

Hier gilt im Kern: An einem kleinen Zoll von – sagen wir – 5 % ist noch kein Unternehmen gestorben, an einer jahrelangen Phase der Unsicherheit verbunden mit teuren Fehlplanungen freilich schon.

Wie lange wird die Phase der Unsicherheit noch andauern? Seriöse Prognosen sind derzeit nicht möglich. Donald Trump hat sich in der Vergangenheit als ausgesprochen „flexibel“ gezeigt. So ist es durchaus denkbar, dass er nächstens umschwenkt und plötzlich mit seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping in Peking medienwirksam „kuschelt“ und den Handelskrieg für beendet erklärt. Solche spontanen Volten zeigte der US-Präsident zum Beispiel in der Nordkorea-Frage.

Möglicherweise möchte er aber das Thema Handelskrieg mit in den anstehenden US-Wahlkampf (November 2020 Präsidentschaftswahlen) nehmen. Damit führt er dann dem US-Wähler vor, wie hart er für Jobs im eigenen Land kämpft.

Auch in der Brexit-Frage sind Prognosen derzeit unmöglich. Sicherlich haben Sie der jüngsten Medienberichterstattung entnommen, dass Premierminister Boris Johnson das britische Unterhaus im September und Oktober in eine vierwöchige Sitzungspause schicken möchte. Johnson möchte also bei der Gestaltung des Brexit ganz freie Hand haben. Im Unterhaus wiederum verbündet sich die Opposition mit Abweichlern aus der konservativen Tory-Partei. Am Ende wird Brexit-Boris möglicherweise gestürzt. In jedem Fall verdichten sich die Anzeichen, dass der Brexit auch am 31. Oktober – bisheriger Termin – nicht stattfinden wird.

Agieren Sie zunächst konservativ und meiden Sie konjunktur-sensible Aktien

Meine Empfehlung: Ich rate Ihnen, auch in den nächsten Wochen weiterhin eher konservativ zu agieren. Eine höhere Cashquote ist gegenwärtig nicht Ausdruck von Feigheit sondern von Klugheit. Natürlich reizen uns verschiedene ausgebombte, aber namhafte Titel wie etwa Siemens, BASF oder 3M in den USA. Diese Aktien sind wirklich nicht mehr teuer. Und Sie sollen solche Aktien kaufen, aber bitte nicht jetzt! Hier liegen die richtigen Kaufkurse noch vor uns.

Zuletzt hatte ich in meinen Depots nur eine Ausnahme gelten lassen: Der alternative Stromanbieter Encavis liegt derzeit voll im Trend. Die anhaltende Diskussion um den Klimawandel schiebt die Aktie des Betreibers von Wind- und Sonnenkraft-Anlagen derzeit an. Vor allem von einer Einführung einer CO2-Steuer würde das deutsche Stromunternehmen aufgrund seiner klimaneutralen Produktion massiv profitieren. Ebenfalls günstig wirkt, dass Encavis überwiegend auf dem europäischen Festland aktiv ist. Brexit und Handelskrieg tangieren also das Geschäftsmodell dieses Unternehmens nicht.

Spezial:

Das sind die Nachfolger von Facebook und Alphabet

Die Facebook-Anwendung wurde in den vergangenen Jahren zu einer Art Super-Plattformen mit unzähligen Detail-Anwendungen ausgebaut. Schon lange wird hier nicht mehr nur einfach per Textnachricht kommuniziert. Über Facebook verschicken Sie mittlerweile Bilder und Videos. An Ihrem Geburtstag veranstalten Sie möglicherweise eine kleine digitale Spendenaktion zugunsten einer wohltätigen Organisation. Ferner umfasst die Social-Media-Plattform einen Marktplatz, der jenem von eBay ähnelt.

Keine Frage: Facebook ist im Segment der digitalen privaten Kommunikation (Social Media) das Maß aller Dinge. Die Plattform ist mittlerweile völlig ausgereift. Das bedeutet allerdings, dass in diesem Segment kaum noch Innovationen zu erwarten sind. Beleg dafür sind auch neuere Plattformen wie etwa Snapchat, Flickr.com oder Tumblr, denen bestenfalls in der Nische ein gewisser Erfolg beschieden ist.

Was kommt jetzt? Welche Unternehmen tragen den nächsten großen digitalen Innovationszyklus?

Zunächst einige Hintergrund-Informationen: In vielen Unternehmen – vor allem der Software- und Dienstleistungsbranche – herrscht das pure Chaos. Jeder Mitarbeiter kommuniziert pausenlos intern mit zahlreichen Kollegen. Dabei setzen die einen noch auf die klassische E-Mail oder die SMS. Andere wiederum kommunizieren lieber über Facebook, Instagram oder Whatsapp.

Diese Vielfalt der Kommunikationskanäle führt regelmäßig dazu, dass wichtige Benachrichtigungen nicht mehr oder verspätet zur Kenntnis genommen werden. Immer mehr Dokumente versinken in den Tiefen der E-Mail-Postfächer und anderer Speicher. Es wird absurd: So gehen immer mehr Arbeitnehmer dazu über, die Versendung einer E-Mail nochmals auf einem anderen Kanal, also z.B. per SMS, anzukündigen, damit der Kollege die Nachricht oder den Termin auch wirklich zur Kenntnis nimmt. Das kostet Zeit und Geld.

Und genau mit diesem Problem räumt jetzt eine kleine Software-Firma aus San Francisco auf. Slack Technologies hat eine Software programmiert, die sämtliche interne Unternehmenskommunikation auf einer Plattform zentralisiert. Zu Deutsch: Öffnet der Mitarbeiter die Slack-Anwendung, erfasst er auf einen Blick sämtliche Mitteilungen und Dokumente, egal über welchen Kanal ihm diese zugesendet worden ist. Endlich sind die Zeiten vorbei, in denen der Mitarbeiter erst seine E-Mails checkte, dann Facebook öffnet, um zum Schluss noch einen Blick ins Smartphone zu werfen. Dafür werden die Leute nicht bezahlt.

Selbstverständlich arbeitet die Slack-Software in der Cloud und kann weltweit von jedem autorisierten Mitarbeiter eines Unternehmens aufgerufen werden. So beschleunigt man wirkungsvoll Arbeitsabläufe und vermeidet internen Leerlauf. Heutzutage arbeiten in jedem größeren Unternehmen ganze Stäbe daran, interne Arbeitsabläufe zu entschlacken und zu optimieren. Denn wie alle großen Organisationen neigen auch Unternehmen mit der Zeit zur Verkrustung und Bürokratisierung.

Das Unternehmen Slack und seine Software ist noch ziemlich jung. Trotzdem ist die Slack-Plattform besonders im Silicon Valley wie in Butter eingeschlagen. Unternehmen wie LinkedIn, Google, Pay Pal oder eBay kommunizieren intern bereits auf der Slack-Plattform. Derzeit nutzen weltweit 645 Unternehmen in nennenswertem Umfang die Anwendung und bezahlen dafür pro Jahr mindestens 100.000 US-Dollar. Derzeit verarbeitet das Slack-System pro Woche rund 1 Milliarde Mitteilungen und andere elektronische Aussendungen für die verschiedenen Unternehmen. Das schlägt sich auch im Umsatzwachstum des US-Unternehmens nieder. Zuletzt meldete Slack ein sattes Wachstum in Höhe von über 50 %.

Auch Kunden kommunizieren chaotisch – Twilio räumt auf

Ein verwandtes Geschäftsmodell verfolgt das US-Unternehmen Twilio. Nur hier steht die Kommunikation des Unternehmens mit den Endkunden im Vordergrund.

Ein fiktives, aber praxisnahes Beispiel: Siegfried Sorgenvoll möchte wissen, ob im Boden der Nestlé-Pizza 4-Käse-Champignon Gluten enthalten ist. Er besucht also die Internetseite des Schweizer Unternehmens und ruft dann bei der Kunden-Hotline an. Genauso gut kann er seine Frage allerdings auch per E-Mail stellen.

Möglicherweise bevorzugt Herr Sorgenvoll allerdings die Kommunikation per Facebook. Auf Instagram stößt der Kunde übrigens ebenfalls auf Nestlé. Mittlerweile folgen dort 181.000 Kunden dem Unternehmen. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass vor allem die Unternehmen der Endkunden-Branchen heutzutage auf allen Kommunikationskanälen greifbar sein müssen. Wer hier nicht professionell und auch zeitnah kommuniziert, verliert Kunden an die Konkurrenz.

Die Twilio-Software organisiert und strukturiert genau diese Kommunikation. Mittels Künstlicher Intelligenz unterscheidet sie beispielsweise zwischen einer Anfrage, einer Anregung oder einer Reklamation. Einfache Anfragen, wie etwa diejenige des Kunden Sorgenvoll, bearbeitet die Twilio-Software sogar automatisch und selbstständig. Im November 2018 nutzten weltweit bereits 60.000 Unternehmen die Twilio-Anwendung, darunter so bekannte Adressen wie der Fahrdienstleister Uber, der Einzelhändler Nordstrom, der Lieferdienst Delivery Hero oder etwa Nike.

Meine These: Social Media, also die private digitale Kommunikation ist ausgereift und hat ihren Innovationszyklus weitgehend beendet. Künftig finden die Innovationen im Segment der professionellen digitalen Kommunikation statt, sei es im Bereich der internen Kommunikation (Slack) oder im Bereich der externen Kommunikation (Twilio). Möglicherweise gehören die beiden US-Unternehmen mittelfristig mit zu den legitimen Nachfolgern etwa von Facebook oder Alphabet.

Sowohl Slack wie auch Twilio verfügen über marktfähige und praxis-erprobte Anwendungen. Beide Software-Dienstleister sind also keine Startup-Unternehmen mehr. Gleichwohl sind sie in breiten Anlegerschichten immer noch eher unbekannt. Das macht die beiden Aktien für uns als Börsianer nur umso reizvoller.

Ein Hinweis für die Kunden der von Parseval & Collegen UG: Sobald sich das Marktumfeld aufbessert, werde ich eine Einbuchung dieser Aktien in Ihr Depot prüfen.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander von Parseval

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