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Juli: Die Hausse stirbt allmählich an Altersschwäche

Liebe Leser,

allein im vergangenen Juli haben wir weltweit 11 Zinsentscheide erlebt. Dabei haben die jeweiligen Notenbanken – unter ihnen etwa jene von Russland, Südkorea oder Australien – 10mal den nationalen Leitzins gesenkt. Wenn heute nun die US-Notenbank Fed den Leitzins ebenfalls senken wird, ist diese Maßnahme also keine singuläre Entscheidung.

Neben zu den zuvor genannten Notenbanken stehen auch die Notenbanken in Japan und der Euro-Zone Gewehr bei Fuß, die Zügel der Geldpolitik nochmals zu lockern. In Japan ist der Leitzins (Overnight Call Rate) ohnehin seit 2016 negativ. Möglicherweise wird die EZB diesem Vorbild in absehbarer Zeit folgen.

Die Marktzinsen haben auf diese Perspektive bereits reagiert. So beträgt die Umlaufrendite – also der gewichtete Marktzins für deutsche Staatsanleihen der Laufzeiten 3 bis 30 Jahre – derzeit minus 0,41 %. Niemals zuvor waren die Zinsrenditen in der Bundesrepublik Deutschland niedriger. Vergleichen Sie hierzu bitte den folgenden Chart!

Dieser Zinseffekt hat die Aktienmärkte in den vergangenen Wochen deutlich gestützt. Denn ganz offensichtlich bietet der Rentenmarkt keinerlei Alternative zur Aktie. So verteidigte der DAX im Juli erfolgreich die Marke von 12.000 Punkten, während die US-Börsen sogar neue Rekordstände markierten.

Freilich wird dieser geldpolitische Stimulus der Notenbanken am Markt demnächst „abgefrühstückt“ sein. Wenn heute die US-Notenbank den Leitzins tatsächlich senkt, weicht eben die Zinsphantasie aus dem Markt. Am Ende mag dann noch die EZB unter ihrer neuen Präsidentin Christine Lagarde mit einer eigenen geldpolitischen Maßnahme nachziehen. Trotzdem: Das wird auf Dauer nicht reichen, um den Aktienmarkt nochmals spürbar voranzubringen.

DAX macht seit 2015 keinen Meter mehr

Was meinen Sie? Befindet sich der DAX noch in einer Haussephase? Leider beschert uns der deutsche Leitindex bereits seit Anfang 2015 unter dem Strich keinerlei Kursgewinne mehr. Lediglich nach Dividenden steht noch ein Plus zu Buche. Damit hat sich der DAX in den vergangenen Jahren von den starken US-Aktienmärkten abgekoppelt. Betrachten Sie hierzu bitte auch den folgenden Chart des sogenannten Kurs-DAX, der ausschließlich die Kursentwicklung der DAX-Aktien misst.

Schauen wir uns nun den US-Markt gemessen am S&P 500 an! Auf den ersten Blick befindet sich der dortige Aktienmarkt in einem fabelhaften Aufwärtstrend, schließlich machte der S&P 500 seit Anfang des Jahres rund 20 % Performance. Für einen marktbreiten Index, der 500 Unternehmen umfasst, ist das wirklich sehr viel Holz. Alles in Butter also, oder?

Nein, denn auf den zweiten Blick wird sehr schnell offensichtlich, dass diese Hausse auf tönernen Füßen steht und zuletzt nur noch von einer Handvoll Aktien getragen worden ist. So waren allein 4 Aktien – nämlich Microsoft, Apple, Facebook und Amazon – für 20 % der bisherigen Jahresperformance zuständig. Denen steht eine lange Liste von exakt 129 Aktien gegenüber, die in den vergangenen 12 Monaten mindestens 10 % verloren haben. Allein 70 dieser Aktien haben sogar über 20 % verloren. Diese Zahlen zeigen, dass manchmal eine reine Betrachtung der Index-Performance täuschen kann. Denn Anleger, die nicht zufällig in den zuvor erwähnten 4 Stark-Aktien investiert waren, haben von der US-Hausse nicht viel gespürt.

Zur Information: Eine Hausse gilt immer dann als besonders stabil und nachhaltig, wenn möglichst alle oder die ganz überwiegende Mehrheit der Aktien eines Index steigen. Das ist dann ein Indiz, dass die Investoren guter Dinge sind und quasi alles einkaufen. Umgekehrt gilt: Steigen nur noch einige wenige Schwergewichte eines Aktienindex, während die Mehrheit der Indexmitglieder bereits stagniert oder sogar verliert, dann läuft die Hausse allmählich aus.

Jetzt kommt die Korrektur und bereitet die Basis für die neue Hausse

Ich habe also zunächst keine guten Nachrichten für Sie als Investor. Der aktuelle Haussezyklus befindet sich in einem sehr fortgeschrittenen Stadium. Er wird nur noch von wenigen Schwergewichten sowie der Hoffnung auf eine erneute Zinssenkung getragen. Insgesamt befinden wir uns im 10. Jahr der US-Hausse. Damit wird dieser Zyklus demnächst an Altersschwäche sterben.

Was brauchen wir jetzt? Ich erwarte, dass wir in den kommenden

2 Monaten eine mittelschwere Korrektur am US-Aktienmarkt und in zweiter Linie auch am europäischen Aktienmarkt erleben werden. Bekanntlich zählen der August und September historisch betrachtet zu den schwächsten Börsenmonaten des Jahres. Diese Regel gilt immer besonders dann, wenn der Aktienmarkt zuvor stark gestiegen ist. Genau diese Konstellation finden wir derzeit idealtypisch in den USA vor.

Müssen wir jetzt als Börsianer in Panik verfallen? Solche Aufwallungen kennen wir doch gar nicht, oder? Scherz beiseite! Eine Korrektur ist zunächst immer schmerzhaft. Auf der anderen Seite ist sie allerdings nun einmal eine notwendige Voraussetzung für einen neuen machtvollen Haussezyklus.

Mit ein wenig Glück wird der Markt diese Voraussetzung dann bereits im Oktober schaffen, wenn die erwartete Zwischenkorrektur ausläuft. Noch etwas zu den saisonalen Mustern des Börsenjahres: Unter vielen Investoren hält sich hartnäckig der Mythos, dass der Oktober traditionell der schlechteste Börsenmonat des Jahres ist. Tatsächlich fanden zwei der schwersten Börsenzusammenbrüche – nämlich in den Jahren 1929 und 1987 – jeweils im Oktober statt. Das hat sich natürlich in das kollektive Gedächtnis der Anlegerschaft eingebrannt.

Wer allerdings die Statistiken sauber liest, wird rasch feststellen, dass der Oktober sogar ein relativ guter Kaufmonat ist. Schließlich sind oftmals die Kurse bereits im August und September auf Tauchstation gegangen. Im November und Dezember erleben wir dann saisonal betrachtet die sogenannte Jahresendrally, die wir ja alle so schätzen.

Der Markt ist kurzfristig überhitzt, aber im Kern gesund

Ich bin also optimistisch, dass wir etwa zur Jahreswende in einen neuen Haussezyklus eintreten werden. Ich bin auch deshalb zuversichtlich, weil ich gegenwärtig im Kapitalmarkt keine strukturellen Probleme wie etwa 2000 oder 2008 sehe. 2000 starb bekanntlich der Neue Markt in Deutschland und die Unternehmen der 1. Internetgeneration meldeten reihenweise Konkurs an. Heute sind Amazon, Facebook und Co sicherlich überbewertet. Trotzdem sind es großartige Unternehmen, die seit Jahren tiefschwarze Zahlen schreiben. Die Situation von 2000 (Dotcom-Blase) ist mit 2019 nicht vergleichbar.

2008 versus 2019: Eine neue Finanzkrise, wie wir sie 2008/09 erlebt haben, sehe ich gegenwärtig auch nicht. Der Immobilienmarkt ist sicherlich vor allem in den westlichen Metropolen überhitzt. Gleichwohl wird niemand abstreiten, dass die Nachfrage nach Wohnungen oder Büros in Hamburg, München, Paris oder New York auch künftig anhalten wird. Ein massiver Preisverfall mit angeschlossener Bankenkrise ist also sehr unwahrscheinlich. Auch hier unterscheiden sich die Voraussetzungen aktuell von jenen der Jahre 2008/09.

Im Kern erleben wir derzeit eine zyklische Überhitzung des Marktes, wie sie nach mehreren Jahren des Wachstums immer vorkommt. Außerdem sind viele Investoren nach der langjährigen Hausse etwas unvorsichtig geworden und haben sich einseitig in der Tech-Branche positioniert.

Wie gesagt, solche Phänomene beobachten wir quasi seit hunderten von Jahren. Solche Überhitzungen werden schließlich am Markt korrigiert. Das ist nicht krisenhaft, sondern ein ganz normaler Vorgang.

Kurzfristig rate ich Ihnen von größeren Neuanschaffungen ab. Die ein oder andere Gewinnmitnahme ist sicherlich auch kein Fehler. Ein Ausverkauf Ihres Depots wäre allerdings sicherlich zu viel der Vorsicht. Nehmen Sie doch stattdessen einen Short auf den S&P 500 oder den DAX in Ihr Depot! Sichern Sie Ihr Depot ab, damit Sie dann im Oktober wieder richtig zufassen können. Das ist meine Strategie für die nächsten Monate.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander von Parseval

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