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November: Historische Wende: Notenbanken drehen den Geldhahn zu

Die vergangenen vier Wochen brachten für uns als Börsianer zumindest eine kleine Entlastung. Der DAX stoppte seinen Abwärtstrend und hält sich weiterhin über 11.000 Punkten. Der EuroStoxx 50 schaffte einen Zuwachs von über 2 %, während der S&P 500 sogar etwas über 3 % zulegte. Gleichwohl haben wir nicht mehr als eine kleine technische Gegenreaktion auf den massiven Ausverkauf der vorangegangenen Monate erlebt. Auf Jahressicht notiert etwa der DAX immer noch prozentual zweistellig im Minus. Was ist eigentlich das Problem? Warum sind zuletzt viele Investoren in den Käuferstreik getreten?

Wir müssen uns allmählich mit einer unangenehmen Tatsache vertraut machen: Die wichtigen Notenbanken dieser Welt drehen dem Aktienmarkt den Geldhahn ab. Ein Rückblick: Seit 2009 haben allein die vier großen Notenbanken – aus den USA, der Euro-Zone, aus Japan und Großbritannien – rund 13 Billionen US-Dollar an Liquidität in den Markt gepresst. Von diesem historisch einmaligen Geldsegen haben in besonderem Maß der Aktien- und Immobilienmarkt profitiert. Vorübergehend schossen auch die Edelmetalle (2009-2011) in die Höhe.

Diese einmalig günstige Marktkonstellation geht nun zu Ende. Die US-Notenbank Fed hat seit Anfang 2016 den US-Leitzins bereits achtmal in Folge angehoben. Aber mehr noch: Mittlerweile entzieht die Fed dem Markt Monat für Monat Liquidität. Zunächst startete man klein mit 10 Milliarden US-Dollar. Seit diesem Oktober entnehmen die US-Währungshüter allerdings 50 Milliarden US-Dollar pro Monat. Mit anderen Worten: Im kommenden Jahr wird man dem Markt 600 Milliarden US-Dollar entziehen. Das entspricht ziemlich genau der Wirtschaftsleistung (BIP) Schwedens.

Die Fed hat also den Kapitalmarkt in einen doppelten Würgegriff aus Leitzinserhöhungen und Liquiditätsverknappung genommen. Die Absicht ist ja durchaus redlich: Man verschafft sich wieder Handlungsspielraum für die nächste Rezession. Aber natürlich belastet diese neue Geldpolitik den Aktienmarkt derzeit ganz enorm. Zumal im Dezember nun auch die EZB in die Straffung der Geldpolitik einsteigt und das laufende Anleihenkaufprogramm gänzlich einstellen wird.

Fazit: 2019 wird die globale Geldmenge erstmals seit 2009 real schrumpfen. Folglich fehlt das Schmiermittel für den Aktienmarkt, der ergo trocken läuft.

Warum ist die Geldpolitik für den Aktienmarkt so enorm wichtig?

Diese Frage ist legitim. Schließlich floss das kostenlose Notenbank-Geld nicht unmittelbar den Investoren zu, sondern vor allem den Staaten und den nationalen Geschäftsbanken. Beide Marktteilnehmer spielen allerdings am Aktienmarkt üblicherweise als Käufer keine nennenswerte Rolle. Trotzdem schlägt die Geldpolitik immer sehr schnell auf den Aktienmarkt durch. Warum ist das so?

Die Zusammenhänge sind hier vielfältig und komplex. Ein einfaches Beispiel: In den USA kaufen viele (milliardenschwere) Hedgefonds gerne Aktien auf Kredit. In der Vergangenheit sicherte man sich als eine Kreditlinie (Lombard) für etwa 2 %. Dafür erwarb man Aktien, die eine Dividendenrendite von rund 4 % abwarfen. Ein geniales Geschäft, denn allein die nackte Dividendenzahlung garantierte den professionellen Investoren eine vergleichsweise risikoarme Mindestrendite. In der Praxis addierten sich dazu noch Kursgewinne. Jetzt ist die Situation weit kniffeliger für die Profis. Aktuell muss man die Dividende vollständig aufwenden, um den Zins des Wertpapier-Kredites zu bedienen. Das dämpft natürlich die Kaufbegeisterung.

Kurzum: Eine straffe Geldpolitik führt zu steigenden Zinsen und reduziert generell die Attraktivität von Aktien. Auch dazu ein Beispiel: Die Nestlé-Aktie wirft auf Basis des gestrigen Kurses eine Dividendenrendite von 2,95 % ab. Eine Nestlé-Anleihe lautend auf US-Dollar (Laufzeit 10 Jahre) bringt nach dem Anstieg der Marktzinsen in den USA derweil allerdings eine laufende Zinsrendite in Höhe von 3,89 %. Was würden Sie jetzt kaufen? Die Aktie mit einer Dividendenrendite von 2,95 % oder die Anleihenrendite in Höhe von 3,89 % ?

Börse ist nie schwarz oder weiß. Natürlich ist die Schere zugunsten der Anleihenrendite noch nicht derart aufgegangen, dass man als Profi-Investor gleich alle Aktienpositionen veräußert. Allerdings ergänzen die Profis gegenwärtig eher die Anleihenpositionen, während man Neuanschaffungen von Aktien verschiebt. Das bezeichnet man dann als Käuferstreik.

Neue Geldpolitik noch nicht gänzlich eingepreist

Können die Aktienmärkte vor dem Hintergrund der neuen Geldpolitik bzw. des steigenden Marktzinses überhaupt noch steigen? Die Geldpolitik ist ein ganz wichtiger Faktor für den Aktienmarkt, allerdings beileibe nicht der einzige. Selbstverständlich steigen Aktien auch in einem Umfeld erhöhter Zinsen, sofern die Konjunktur gut läuft und die Unternehmen weiterhin Gewinnsteigerungen schaffen. Freilich wirkt die Geldpolitik unmittelbar auf die Bewertung oder das KGV der Unternehmen. Hier gilt eine Faustformel: Je höher der Zins, desto niedriger sollte die Bewertung (KGV) der Unternehmen sein.

Genau diesen Prozess erleben wir gegenwärtig am Aktienmarkt. Die Korrektur passt die Bewertungen der Unternehmen dem aktuellen Zinsumfeld an. Dabei ist diese Korrektur in Europa, wo ja auch die Zinsen weniger ausgeprägt als in den USA steigen, weitgehend abgeschlossen. An den US-Leitbörsen hingegen sind noch weitere Abschläge erforderlich, da hier die neue Geldpolitik noch nicht ausreichend eingepreist worden ist.

Fazit: Ich rate Ihnen, wie auch in der vergangenen Ausgabe von Mein Parseval, Neuanschaffungen weiterhin zu verschieben. Unverändert haben wir in Europa, den USA und auch in Asien immer noch keinen Kaufmarkt. Eine Ausnahme gilt aber: Ich habe für Sie eine Branche identifiziert, die von der neuen Geldpolitik umfassend gegen den allgemeinen Trend profitiert. Mehr dazu lesen Sie im Folgenden in meiner Kaufempfehlung für den US-Versicherer Chubb Limited.

Chubb: Genau die richtige Aktie für den neuen Zinszyklus

Die Aktien der großen Versicherer haben sich in den vergangenen 12 Monaten hervorragend entwickelt und den Gesamtmarkt deutlich hinter sich gelassen. Beispiele: Die Aktie der Münchener Rück hat in den vergangenen 12 Monaten keinen Meter verloren und hat ihren Aktionären unter Berücksichtigung der Dividende einen respektablen Gewinn von rund 4 % beschert. In der Schweiz überzeugte die Aktie der Swiss Re und schaffte ebenfalls eine positive Performance. Keine Frage: Die Aktien der Assekuranz-Branche haben zuletzt als Depotstabilisatoren auf ganzer Linie überzeugt.

Was sind die Hintergründe? Vereinfacht gesprochen sind Versicherer vor allem eines, nämlich große Kapitalsammelstellen, die in ihren Bilanzen milliardenschwere Wertpapier-Bestände halten. Gleichzeitig fließen diesen Unternehmen in der Schadensversicherung laufend neue Mittel zu. Es liegt in der Natur des Versicherungsgeschäftes, dass die Unternehmen diese Mittel nur sehr begrenzt am Aktienmarkt anlegen. Schließlich muss ein Versicherer immer in der Lage sein, nach Schadensereignissen erhebliche Mittel kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Damit sind die Versicherer von der laufenden Korrektur der Aktien kaum messbar betroffen.

Stattdessen legen die Versicherer ihr Kapital vorwiegend kurz- und mittelfristig festverzinslich am Rentenmarkt an. Mit anderen Worten: Die Branche profitiert immer in besonderem Maße, wenn die Zinsrenditen am Rentenmarkt wieder anziehen. Und tatsächlich beobachten wir seit Ende 2015 in allen relevanten westlichen Rentenmärkten eine spürbare Zinsnormalisierung. Allein in den USA hat sich der risikolose Zins für US-Staatsanleihen (Laufzeit 10 Jahre) seitdem ziemlich genau verdoppelt. Die Hintergründe liegen, wie ich bereits erläutert habe, in der neuen Geldpolitik der Fed.

Schauen wir uns einmal an, wie sich dieser Zinseffekt für die Gewinnrechnung des US-Versicherers Chubb Limited ausgewirkt hat. Der Versicherer wies in der Bilanz 2017 Vermögenswerte im Volumen von 167 Milliarden US-Dollar aus. 2015 hätte Chubb damit bei dem damals aktuellen Marktzins von 1,5 % risikolose Zinseinnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar erzielt. Inzwischen erzielt der Versicherer auf seine Vermögenswerte ziemlich exakt den doppelten Zinsgewinn.

Generell haben alle Versicherer in den vergangenen 2 Jahren auf diese Weise unkompliziert und risikolos deutliche Zuwächse erzielt. Diese Aussage gilt auch weitgehend für europäische Versicherer, da auch diese Unternehmen ihre Mittel immer zu mindestens 60 % im US-Rentenmarkt anlegen.

Das Geschäftsmodell: Chubb betreut bevorzugt Industriekunden

Im Prinzip agiert Chubb als Universalversicherer, der in allen gängigen Assekuranzsparte inclusive Rückversicherung aktiv. Marktführend sind die Amerikaner dabei im Industriekunden-Geschäft. Hier bietet man alles von der Cyberversicherung bis zur komplexen technischen Versicherung an. Heute ist Chubb der größte börsennotierte Industrieversicherer der Welt.

Daneben entwickelt und vertreibt das Assekuranz-Unternehmen Personenversicherungen, die in der Regel in der Form betrieblicher Gruppenversicherungen daherkommen. Hierzulande ist die sog. betriebliche Altersvorsorge (bAv) ein bekanntes Beispiel für ein solches Angebot. Ferner ist in Europa auch die Unfall- und Risikolebensversicherung in vielen Unternehmen als Gruppenvertrag verbreitet.

Betriebliche Versicherungskonzepte sind auch in den USA von hervorragender Bedeutung. Bekanntlich sind die Leistungen der US-Sozialversicherungen im Notfall recht überschaubar. Hier springt dann sehr oft der Arbeitgeber in die Bresche und sicherte seine Mitarbeiter umfassend auf betrieblicher Ebene ab. Besonders in der IT- und Pharmabranche sind großzügige betriebliche Absicherungen gängig.

Dieses Geschäftsmodell bietet diverse Vorteile: Hier ist der Konkurrenzdruck weniger ausgeprägt als etwa im konventionellen Endkundengeschäft. Üblicherweise sind im Endkundengeschäft die Prämien niedrig und die sog. Stornoquoten (Kündigung und Umdeckung bestehender Verträge) notorisch hoch. Vor allem im Sachgeschäft sorgt das regelmäßig für gedrückte Margen.

Im betrieblichen Geschäft hingegen ticken die Uhren anders. In Deutschland wird die betriebliche Altersvorsorge zwischen den Tarifparteien verhandelt. Generell sind die Vertragswerke sehr umfassend und komplex. Mit anderen Worten: Hat ein Unternehmen einmal eine betriebliche Lösung installiert, hält diese in der Praxis jahrzehntelang. Das betriebliche Versicherungssegment ist also ein stabiles und überaus belastbares Geschäftsmodell.

Gefährden Naturkatastrophen das Geschäftsmodell der Versicherungsbranche?

Gerade Privatanleger haben in den letzten Jahren Assekuranz-Aktien oftmals gemieden. Man fürchtet, dass zunehmende Naturkatastrophen die Versicherer dauerhaft belasten werden. Die Medien tun ihren Teil dazu, diese Skepsis zu verstärken. Mittlerweile erfahren wir ja von jedem Buschfeuer in Kalifornien und jedem Starkregen in den Südstaaten der USA. Man gewinnt schnell den Eindruck, auf dieser Welt stürmt, starkregnet und brennt es aller Orten. Wie soll da ein exponierter Sachversicherer wie Chubb überhaupt noch Gewinne schreiben?

Schauen wir uns die Fakten, also die Quartalszahlen der Chubb an: Im 3. Quartal hat der Versicherer rund 450 Millionen US-Dollar an seine Kunden infolge von versicherten Schäden ausgekehrt. Der Großteil der Versicherungsleistung wurde durch den Hurrikan Florence verursacht. Die Belastung entspricht rund 0,80 US-Dollar je Aktie. Gleichwohl schaffte Chubb einen Gewinn in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar. Im Vorjahresquartal stand noch ein leichter Verlust in Höhe von 60 Millionen US-Dollar zu Buche. Unter dem Strich verdiente Chubb pro Anteilsschein 2,41 US-Dollar und damit rund 3 % als zuvor von den Analysten erwartet.

Ungeachtet der Schäden aus der Hurrikan-Saison lag die Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio) bei etwas über 90 %. Diese Quote ist in der Versicherungsbranche von zentraler Bedeutung und gibt Auskunft über die Gewinnmarge des Unternehmens. Im konkreten Fall verblieben von 100 US-Dollar Prämie rund 10 US-Dollar als Vorsteuergewinn. Das ist für das traditionell schwache 3. Quartal ein ganz herausragender Wert, der die langfristige Ertragsstärke des US-Unternehmens beweist.

Ferner meldete Chubb aus fast allen Segmenten steigende Prämieneinnahmen. Besonders erfreulich entwickelte sich das internationale Geschäft, wo die Prämien um fast 6 % auf über 2 Milliarden US-Dollar zulegten. Schwach war nur das US-Agrargeschäft, wo sich die Prämieneinnahmen um 4,5 % auf knapp 900 Millionen US-Dollar ermäßigten.

Die Charttechnik: Nutzen Sie die Kursdelle für ein langfristiges Investment

Das Chartbild verdeutlicht, dass die Aktie des US-Versicherers üblicherweise ohne große Schwankungen gleichmäßig steigt. Dieser Trend wird nun vorübergehend von der Korrektur des Aktienmarktes gestört. Ferner belastete eine übertriebene mediale Beachtung des Hurrikans Florence, der die Aktie vor allem im vergangenen Oktober belastete.

Die Zahlen aus dem vergangenen Quartal zeigen allerdings, dass das US-Versicherungsunternehmen operativ voll auf Kurs ist. Tatsächlich hat sich die in den vergangenen Jahren gestiegene Schadensquote aus Naturkatastrophen für Chubb sogar in steigendem Prämienaufkommen niedergeschlagen. Die unerwünschten Wetterphänomene unterstreichen nachdrücklich die Relevanz starker versicherungstechnischer Absicherungen. Insgesamt profitiert die Branche generell von einer moderat steigenden Schadensquote. Das erlaubt regelmäßige Erhöhungen der Versicherungsprämien.

Auch noch wichtig für Sie: Chubb verfügt bei allen bekannten Rating-Agenturen über eine hohe A-Bonität. Für große Versicherungskunden ist eine solche Bonitätsnote bedeutsam. Sie zeigt, dass der Versicherer jederzeit, auch im Falle von Großkatastrophen, uneingeschränkt leistungsfähig ist. Für Sie als Investor ist daneben interessant, dass Chubb ein verlässlicher und regelmäßiger Dividendenzahler ist. Hier wird die Dividende seit 25 Jahren mindestens einmal im Jahr angehoben. Chubb ist in diesem Punkt auch stärker als die europäische Konkurrenz wie etwa Münchener Rück oder Allianz.

Meine Empfehlung: Nutzen Sie die Kursdelle 2018 zum Einstieg in diese substanzstarke Aktie. Im gegenwärtigen Marktumfeld (steigende Zinsen) ist die Chubb-Aktie ein offensichtlicher Kauf. Darüber hinaus erscheint mir die Versicherungsaktie sogar als Dauer-Investment geeignet. Die in dieser Besprechung erwähnten europäischen Versicherer wie Münchener Rück, Allianz und Swiss Re stufe ich als attraktive Haltepositionen ein.

Abschließender Hinweis nach § 34 WpHG: Ich bin derzeit persönlich oder für Dritte in den Aktien der Münchener Rück, Allianz, Swiss Re und Chubb investiert.

Noch ein Hinweis: Beachten Sie bitte, dass die nächste Ausgabe von Mein Parseval diesmal bereits am 21. Dezember erscheinen wird.

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